Der Shar Pei - Wir sind Qualzüchter?!

von Sandra Lindberg31. Januar 2023
Tiangang

In meinem Artikel „Der Shar Pei: Eine Qualzucht?!“ für die Hundezeitschrift WUFF (12/22) habe ich erläutert warum der Shar Pei inzwischen eine Qualzucht Rasse ist. Ich habe den nur 50 jährigen Weg des Shar Pei in unserer westlichen Welt der modernen Rassehundezucht, vom agilen schlanken Arbeitshund aus Süd China bis hin zur molossoiden Couch Potato auf den Sofas der Welt beschrieben.  Ebenso bin ich auf die katastrophalen Folgen eingegangen, die das nicht nur auf den sichtbaren Phänotyp sondern vor allem auf den unsichtbaren Genotyp der Rasse hatte.

Alleine das Wort Qualzucht ist schon unangenehm und ich habe lange überlegt, ob ich es für meine Artikel zu dem Thema in "nicht ethische Zucht" ändern soll. Ein Hundehalter, der damit konfrontiert wird, das sein Hund zu einer Qualzuchtrasse gehört fühlt sich alleine von dem Wort sicherlich ebenso angegriffen, wie die meisten Züchter. Wir neigen dazu bei diesem so wichtigen Thema sehr emotional zu reagieren obwohl ein rational sachlicher Umgang wesentlich wichtiger wäre. 

Auf der anderen Seite klingt der Begriff "nicht ethisch gezüchtete Rasse" nicht direkt genug. Fast schon etwas verharmlosend. Von daher benutze ich das sehr direkte Wort Qualzucht, da ich nichts verharmlosen möchte. Auch wenn ich verstehen kann, dass sich individuelle Besitzer und Züchter einer Qualzuchtrasse zuerst einmal angegriffen fühlen können. 

Und warum wir uns gerne angegriffen fühlen, wenn wir in Bezug auf unsere eigene Rasse, dem Shar Pei, mit dem Thema Qualzucht konfrontiert werden, liegt unter anderem oft an einem mangelnden Verständnis dafür, was Qualzucht eigentlich bedeutet. 

Als Qualzucht wird die Zucht mit Tieren bezeichnet, die krankheits- bzw. schadensverursachende Erbanlagen in sich tragen, die infolgedessen zum Ausbruch einer Krankheit bzw. einer Schädigung führen könnten.  Es werden somit gesundheitliche Schäden, Schmerzen, Fehlbildungen und Leid in Kauf genommen. 

Eine Qualzuchtrasse ist eine Rasse, bei der phänotypische und genotypische Merkmale trotz gesundheitlicher Risiken in Kauf genommen werden oder bei der der Zuchtstandard auf sichtbare Qualzuchtmerkmale ausgelegt ist. Ein einzelnes Tier ist wiederum eine Qualzucht, wenn es phänotypische Qualzuchtmerkmale aufweist oder genotypische Anlagen in sich trägt und diese in spätere Generationen weitergeben könnte.

Ein einzelner phänotypisch unauffälliger Hund, der genotypische Merkmale trägt, die Leiden verursachen könnten, ist also ein Hund mit Qualzuchtmerkmalen. 

Wichtig bei all den fast identischen Definitionen in verschiedenen Ländern ist dabei die Nutzung des Konjunktiv. Es geht nicht nur um die Zucht von Hunden, die auf jeden Fall erkranken und leiden werden, es geht vor allem auch um die Hunde, bei denen bewusst mit genetischen Merkmalsträgern gezüchtet wird und deren Nachkommen somit erkranken könnten

Die vielfältigen genetischen Erbkrankheiten sind eines der grössten Probleme in der modernen Rassehundezucht. SPAID (Shar Pei Autoinflammatory Disease) und seine vielseitigen tragischen Symptome inklusive Folgekrankheiten, die oft zu einem frühen Tod der Hunde durch Nierenversagen führen, ist kein monogener Gendefekt, wie das ebenso beim Shar Pei bekannte primäre Weitwinkelglaukom (POAG). Bisher kennen wir zwei mit SPAID im Zusammenhang stehende genetische Defekte, weitere werden vermutet. Seit einigen Jahren können wir unsere Hunde auf beide Defekte genetisch testen lassen.

Auch wenn die Ergebnisse dieser Tests oft verbagatellisiert werden in der Qualzucht Diskussion, so sind sie unser aktuell einziges wissenschaftliche Hilfsmittel mit dem wir die merkmalsfreien Hunde für die Zucht heraus selektieren könnten. Denn einfache und doppelte Merkmalsträger können, wenn auch in unterschiedlicher hoher Wahrscheinlichkeit, beide erkranken. 

Und genau um diese Wahrscheinlichkeit geht es in der Qualzucht Diskussion. Um die Wahrscheinlichkeit, das ein von mir gezüchteter Welpe ein einfacher oder doppelter Merkmalsträger sein wird und um die Wahrscheinlichkeit, das ein von mir gezüchteter Welpe oder seine Nachkommen dadurch leiden werden. Durch bewusste Zucht mit Merkmalsträgern dulde ich diese Wahrscheinlichkeit. 

Das grosse Dilemma dabei ist, das nach nur 50 Jahren moderner Shar Pei Zucht kaum merkmalsfreie Hunde zur Verfügung stehen, weniger als 10% (Statistische Angabe von Laboklin aller seit 2017 getesteter Shar Pei von 11/22). Dazu kommen weitere, schwer wiegende Zucht Probleme, wie wir sie bei fast allen Hunderassen heute kennen, wie die inzwischen nur noch geringe genetische Diversität oder ein oft hoher Inzuchtkoeffizient, beides wichtige Faktoren, die sich negativ auf die genetische Fitness einer Rasse auswirken. Viele Autoimmunerkrankungen und vielfältige Allergien stehen im Zusammenhang mit den immer besser erforschten DLA Haplptypen.

All diese Faktoren müssen wir als Shar Pei Züchter genau kennen. Dank moderner genetischer Testverfahren ist uns das inzwischen möglich. Und all diese Informationen könnten uns helfen, sachlich rationale Zuchtentscheidungen zu treffen, wenn wir sie effizient nutzen. Ebenso wichtig ist ein sehr ehrlicher Umgang mit auftretenden Gesundheitsproblemen und eine entsprechende Dokumentation.

Als Züchter müssen wir ethische Entscheidungen treffen. Nicht nur für unsere eigene Zucht und die Welpen die wir züchten. Wir tragen die Verantwortung für die ganze Population, denn jede züchterische Entscheidung, die ein einzelner Züchter trifft, hat eine Auswirkung auf die gesamte zukünftige Population. Jede weitere Verbreitung eines Defektgens kann das Leiden von unzähligen Hunden verursachen. 

Natürlich gibt es noch weitere Faktoren, die in der modernen Rassehundezucht oft negative Auswirkungen haben und mit denen wir uns, in Hinblick auf die allgemeine Gesundheit, auseinander setzen müssen. Diese weiteren Faktoren werde ich in einem separaten Artikel in der nächsten Zeit veröffentlichen. Wie elementar eine rational geführte sachliche Diskussion bei einem so emotional beladenen Thema wie Rassehundezucht ist, ist mir seit dem Erscheinen meines ersten Qualzucht Artikels deutlich bewusst geworden.