Qualzucht und Schweizer Belastungskriterien

von Sandra Lindberg23. Januar 2023
Panhu & Diting

Kaum jemand weiss, das es in der kleinen Schweiz seit 2008 ein Qualzuchtverbot gibt. 2015 wurden diese Gesetzesartikel mit der Amtsverordnung zum Tierschutz beim Züchten konkretisiert.

In den Europäischen Nachbarländern der Schweiz gibt es ebenfalls mehr oder weniger strenge Tierschutzgesetzte die in letzter Zeit das Thema Qualzucht intensiver thematisieren. Über die teils chaotischen, teils fehlgeleiteten oder auch uneinheitlichen Umsetzungen auf diversen Hunde Shows in Deutschland wurde viel diskutiert. Ein Ausweg muss also gefunden werden, von dem in erster Linie die Hunde profitieren sollten. Und vielleicht lohnt sich ein Blick auf die kleine Schweiz und die oben angeführte Amtsverordnung zum Tierschutz beim Züchten, da sie ein eigentlich gut durchdachtes Modell ist und am Anfang ansetzt, der Zucht. 

Verordnung des BLV

Da diese Verordnung für die Zucht aller Tierarten gilt, will ich mich auf den Bereich Hundezucht konzentrieren und in den Ausführungen auf den Shar Pei beziehen, da der Shar Pei eine der betroffenen Qualzuchtrassen ist. 

Die Verordnung des Schweizer Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) über den Tierschutz beim Züchten verpflichtet Züchter als erstes, dass sie "die Belastungen kennen, die eine extreme Ausprägung von Merkmalen sowie die bekannten Erbschäden der betreffenden Zuchtform für die Tiere haben". Für den Shar Pei heisst das, das der Züchter die bekannten rassentypischen Erbschäden kennen muss, also SPAID und POAG/Pll. Weiter darf kein Züchter "Zuchtziele verfolgen, die für die Tiere mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder tiefgreifenden Eingriffen ins Erscheinungsbild oder in die Fähigkeiten verbunden sind." Streng genommen darf also kein Züchter mit Shar Pei züchten, deren Nachkommen eine genetische Disposition für SPAID oder POAG/Pll tragen und somit Gefahr laufen zu erkranken. 

Wer also mit Hunden einer betroffenen Rasse züchten will, muss seine Hunde in eine der vier Belastungskategorien einteilen lassen. Diese Beurteilungen dürfen von Personen durchgeführt werden, die über einen Hochschulabschluss verfügen und die notwendige Erfahrung in Veterinärmedizin, Ethologie oder Genetik besitzen. 

Was wird berücksichtigt?

Für diese Belastungsbeurteilung werden nur erblich bedingte Belastungen berücksichtigt und für die Zuordnung des Hundes ist das am stärksten belastende Merkmal oder Symptom entscheidend. Für den Shar Pei bedeutet das die genetische Disposition für SPAID, da dies die wohl schlimmste und schwerwiegendste Gesundheitsstörung der Rasse ist. 

Ein Symptom des SPAID Komplexes, übermässige Faltenbildung mit chronischer Hautentzündung, wird als belastendes Merkmal im Anhang aufgeführt.  Als Züchter sind wir ja verpflichtet, "die Belastungen zu kennen, die eine extreme Ausprägung von Merkmalen sowie die bekannten Erbschäden der betreffenden Zuchtform für die Tiere haben kann" und von daher wissen wir, das die gehäuften Haut-, Ohren- und Gelenkentzündungen neben Fieberschüben nur ein Teil der vielfältigen Symptome von SPAID sein können. Wir wissen also, das wir für die Gesundheit der zu züchtenden Hunde strenger sein müssen, als das phänotypische Merkmal "übermässige Faltenbildung". 

Und von daher ist es wirklich gut, dass nur nur erblich bedingte Belastungen berücksichtigt werden, da sie beim Shar Pei ja der Ursprung des Übels sind. 

Die Kategorien

Für die Beurteilung werden die einzelnen Belastungen (Shar Pei: SPAID und POAG/Pll) in diese vier Belastungskategorien eingeteilt, von denen wiederum das am stärksten belastende Merkmal oder Symptom über die endgültige Belastungskategorie entscheidet.

  • Belastungskategorie 0: keine Belastung
  • Belastungskategorie 1: leichte Belastung
  • Belastungskategorie 2: mittlere Belastung
  • Belastungskategorie 3: starke Belastung

Eine leichte Belastung beschreibt das BLV als eine Ausprägung von Merkmalen und Symptomen die durch geeignete Pflege, Haltung oder Fütterung, ohne Eingriffe am Tier und ohne regelmässige medizinische Pflegemassnahmen kompensiert werden kann. 

Zuchteinsatz

Mit Hunden der Belastungskategorie 0 oder 1 darf gezüchtet werden. Allerdings muss der Züchter bei Kategorie 1 seine Welpenkäufer "schriftlich informieren, wie diese Tiere gepflegt werden müssen, um belastende Massnahmen zu vermeiden". 

Wenn das Zuchtziel beinhaltet, dass die Belastung der Nachkommen unter der Belastung der Elterntiere liegt, dann darf auch mit Hunden der Kategorie 2 gezüchtet werden. Auch hier müssen die Welpenkäufer schriftlich informiert werden, "wie diese Tiere behandelt werden müssen, um erblich bedingte Belastungen zu vermindern". Zusätzlich wird eine detaillierte Dokumentation der Zuchttätigkeit gefordert. Die erblich bedingten Belastungen der Elterntiere und der Nachkommen müssen offengelegt werden und es muss eine klare Zuchtstrategie dokumentiert werden, aus der hervorgeht, wie auf diesem Weg erreicht wird, das die Nachkommen geringer erblich belastet sind als die Eltern. Diese datierte und auf aktuellem Stand basierende Dokumentation muss den Behörden auf Verlangen vorgezeigt werden. 

Mit Hunden der Kategorie 3 darf nicht gezüchtet werden, auch ist eine Zucht nicht erlaubt, wenn zu erwarten ist, das die Nachzucht zur Kategorie 3 gehören kann. 

Kritik

Dieses theoretisch im Ansatz gut durchdachte Modell scheitert an nicht vorhandenen kantonalen Zuchtkommission, die als neutrale Stelle die Bewertungskriterien vergeben und falls vorgeschrieben, die schriftliche Zuchtdokumentation überprüfen könnten. Eine solche Zuchtkommission müsste gut geschulte Veterinärmediziner und Genetiker aus dem Bereich der Tierzucht beschäftigen, die keinen Interessenkonflikt mit den einzelnen Züchtern haben. 

Weitere Punkte, die die Verbesserung der Qualzucht Situation in der Schweiz zusätzlich erschweren, wie

  • Billigwelpen aus dem Ausland,
  • FCI Richter, die auf Hunde Shows die FCI-Grundsatzerklärung für Ausstellungsrichter nicht konsequent umsetzen,
  • Rassehundeclubs, denen es oft an gut ausgebildeten und geschultem Zuchtkommissionsmitgliedern mangelt,

sowie Lösungsmöglichkeiten wurden von Eva Holderegger Walser im Artikel "Tierschutz bei der Hundezucht – wo bleibt die Umsetzung?" gut ausgeführt.  

Lesenswert in dem Zusammenhang ist ebenfalls der Bericht des STS (Schweizer Tierschutz), die 2016 eine Umfangreiche Befragung zu dem Thema durchgeführt und ausgewertet haben.