Warum wird man Züchter? Eine persönliche Geschichte

von Sandra Lindberg16. Dezember 2020
Diting

Ich glaube, dass es auf diese Frage unendlich viele verschiedene Antworten gibt. Und hätte man mich vor 4 Jahren gefragt, meine Antwort wäre eine ganz andere gewesen,  als sie es heute ist. Damals dachte ich, das es doch eine tolle Idee sei, einen zuchttauglichen Shar Pei aus China zu holen, um so zur Erweiterung der geringen genetischen Vielfalt in Europa beizutragen. 

Jeder Beginn ist ein Anfang

China
Bauer bei einer Pause

Während ich in China gelebt habe, hatte ich verschiedene Shar Peis gesehen, einige mit mehr und einige mit weniger Falten, ich hatte Geschichten gehört von alten Bauern auf dem Land in Yunnan. Aber viel von dem, was ich dachte zu wissen, waren doch nur vereinzelte Puzzleteilchen eines viel grösseren, komplexeren Bildes. 

Ich habe meinen kleinen meatmouth Shar Pei geliebt, den ich als Welpen auf einem Hundemarkt in Kunming gekauft hatte und dachte, es sei ein gutes Zuchtziel, solche Shar Peis zu züchten. Gesunde Shar Peis ohne die rassetypischen Krankheiten, die optisch dem entsprechen, was hier in Europa bekannt und beliebt ist. 

Heute muss ich selbst etwas schmunzeln über meine Naivität, doch ein Anfang ist halt ein Anfang und jeder Schritt auf einem Weg ist wichtig, denn er führt zum nächsten Schritt. 

Ein Blick nach China

Awang
Awang, Ditings father

Damal hatte ich zwar viele Shar Peis gesehen, in Europa und in China, aber mehr als „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“ konnte ich oft gar nicht sagen. Ich hatte auch Bilder gesehen von sogenannten „traditionellen“ Hunden aus Hong Kong, die mir, bis auf sehr wenige Ausnahmen, optisch gar nicht gefallen haben. 

Durch eine chinesische Freundin bin ich auf dem chinesischen Messenger Programm WeChat mit chinesischen Züchtern in Kontakt getreten. Zu diesem Zeitpunkt waren das nur sehr lose Kontakte, mit denen ich damals nur ab und zu mal über die eine oder andere Frage gesprochen habe. Fragen hatte ich viele, denn ich wollte mehr lernen über die Rasse. 

Meine allererste Anlaufstelle war schon ein paar Jahre zuvor Matgo Law in Hong Kong, den ich damals kontaktiert hatte, und der mir immer sehr geduldig meine vielen Fragen per mail ausführlich beantwortet hat. Er hat mir ein solides Basiswissen über die Rasse vermittelt, für das ich sehr dankbar bin. 

Matgo Law
Kurzes Treffen mit Matgo Law in Mailand 2019

2017 hat uns Matgo Law dann für eine Woche in der Schweiz besucht. Dank der vielen, intensiven Gespräche hatte ich zu diesem Zeitpunkt das erste mal das Gefühl die Rasse wirklich verstanden zu haben. Matgo war auch einer der ersten Menschen, die mich motiviert haben, meinen Zucht-Gedanken weiter zu verfolgen. Im Hinblick auf meine Zuchtziele und Visionen für den Shar Pei sind seine Ratschläge für mich bis heute elementar.

So fing ich langsam an, mein Wissen wirklich ernsthaft und strukturiert aufzubauen. Und ich wusste, um mehr zu verstehen, muss ich nach China schauen. Denn vieles schienen wir einfach nicht zu wissen. Meine Motivation dazu war ein Gespräch mit Matgo Law über Shar Peis in Yunnan. Ich erzählte ihm von den Geschichten alter Bauern die ich gehört hatte und von den Hunden, die ich gesehen hatte. Er erzählte mir von der ersten Hundeshow in Kunming, bei der er als Richter war und dass er die Verantwortlichen dort gefragt hatte, ob es Shar Peis in Yunnan gibt. Sie sagten: Nein. Ich versprach ihm damals, dass ich mehr über Shar Peis in Süd China herausfinden werde, da wir scheinbar alle viel zu wenig Informationen haben.

Zeit des intensiven Lernens

Und genau das habe ich dann getan. Ich bin in Kontakt getreten mit allen möglichen Shar Pei Züchtern in China, von Guangdong bis Yunnan. Ich habe zusätzlich viele lokale Rassen kennengelernt, die optisch gesehen scheinbar einen Einfluss gehabt haben auf die verschiedenen Shar Pei Populationen in Südchina.  Ich sprach mit indischen Züchtern seltener indischer Rassen, von denen eine, was man durch alte Aufzeichnungen weiss, von Shar Pei abstammt, die über alte Handelswege bis in den Norden Indiens gelangt sind. 

China Shar Pei
PanHu mit einigen Dali Shar Pei Club Mitgliedern

Ich fing an, Studien zur Evolutionsgeschichte der Hunde zu lesen, habe jede chinesische Studie gelesen, die sich mit lokalen Rassen, deren Verbreitung und deren Alter beschäftigt. Um diese zu verstehen musste ich mir zusätzlich noch ein solides Basisverständnis im Bereich Genetik anlesen. Da ein solides genetisches Grundwissen für jeden Züchter unabdingbar ist, hat es mir doppelt genutzt. 

Je mehr ich las, desto klarer wurde mir, dass ich dieses Projekt wissenschaftlicher betrachten muss. Ich befragte die chinesischen Züchter intensiver und gezielter zu verschiedensten Aspekten der Rasse, nicht nur in Hinblick auf Geschichte und Kultur, sondern auch in Hinblick auf Gesundheit, Langlebigkeit und den Rassestandard. All diese Informationen und Daten zu sammeln, zu vergleichen, auszuwerten und zu einem grösseren Bild zusammenzuführen war und ist bis jetzt sehr zeitintensiv. Allerdings, oder besser vor allem, macht mir diese Arbeit für die Rasse sehr viel Spaß . Denn auch immer wenn man denkt man wüsste viel, tauchen wieder neue Informationen auf, die das Bild mal abrunden, mal verändern.

Einer der interessantesten Aspekte war von Anfang an die nicht nur unterschiedliche Optik der Rasse in China und in Europa, sondern vor allem die sehr unterschiedliche Gesundheitslage der Rasse, von daher war es ebenso wichtig, mich mit der Rasse hier zu beschäftigen. Dies bezog vor allem ein, auf dem aktuellen Wissensstand der Forschung hier zu sein. 

Die doch sehr unterschiedliche Geschichte der Rasse in China, in Hong Kong und in der übrigen westlichen Welt zu verstehen, war für mich sehr wichtig, teilweise jedoch ein sehr emotionales Thema für einige Fachleute, die ich dazu befragt habe. Aber sehr wichtig, um zu verstehen, was zu den doch teilweise sehr unterschiedlichen Entwicklungen geführt hat. 

Reflektion

horsecoat
Little Dragon Girl, Ditings Mutter als Junghund

2018 habe ich dann das erste mal über meine ursprüngliche Zucht Idee nachgedacht und stellte fest, dass sich meine Vision durch all das, was ich bis zu dem Zeitpunkt für mich gelernt hatte, geändert hatte. Wollte ich ursprünglich mit dem Import eines Hundes aus China die genetische Vielfalt hier erweitern, so war es jetzt eine andere Idee, die ich verfolgte. Ich habe mit vielen Züchtern in der Welt gesprochen, darüber was sie tun und warum sie es tun. Doch was vor allem die älteren chinesischen Züchter mir gezeigt haben, war ihre tiefe Verbundenheit mit der Rasse, die Leidenschaft, mit der sie trotz aller, teilweise schwierigen Umstände, ihr Ziel verfolgen. 

Auch in China ist die Zucht-Szene divers, Ideen und Visionen sind von Züchter zu Züchter verschieden. Allerdings haben alle ein gemeinsames Ziel: Den Shar Pei als Kulturgut in seiner Ursprünglichkeit zu schützen. Und diese Idee zu unterstützen, durch meinen kleinen Beitrag, ersetzte nach und nach meine ursprüngliche Motivation. Denn die Leidenschaft und Verbundenheit, die die älteren chinesischen Züchter für „ihre“ Rasse empfinden, hat mich ergriffen, berührt und schlussendlich angesteckt.

China Shar Pei
Big Dragon, Ditings Grossvater

Meine Hündin Diting hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits gefunden und kurze Zeit später konnte ich sie im Januar 2019 zu uns in die Schweiz holen. Damals traf ich die Entscheidung meinen Kennel bei der China Kennel Union (CKU) anzumelden. Die Gründe dafür waren vielfältig. Der Hauptgrund war jedoch, der CKU meine Unterstützung bei ihrem Einsatz zum Schutz chinesischer Rassen zu versichern. 

Um eine Rasse zu erhalten und zu schützen, braucht es jedoch mehr, als nur das praktische Zucht Wissen. Als elementar sehe ich das Verständnis für die Rasse, etwas, das mir Matgo Law schon vor Jahren mit auf meinen Weg gegeben hatte.

Um eine Rasse zu verstehen muss man nicht nur die Geschichte und die damit verbundene Kultur der Rasse kennen, sondern auch den Standard, der ein fundamentales Handwerkszeug eines Züchters sein sollte. 

Dank meiner chinesischen Freunde habe ich viel gelernt. Nicht nur allgemeines Wissen über die Rasse, sondern ein tiefes Verständnis ihrer Wurzeln. Ein Verständnis des kulturellen Wertes der Rasse und ein echtes Verständnis für den Standard. Matgo Law gab mir mal den Rat den FCI Standard jeden Tag zu lesen um ihn wirklich zu verstehen, ein Rat, der sehr wertvoll ist. 

Aussicht

Viele einzelne Puzzleteile konnte ich bisher zu dem Bild hinzufügen, aber es fehlen noch einige, die sicherlich, mit etwas Zeit, dazu kommen werden. Einige durch weitere genetische Studien, andere durch zukünftige richtige Feldforschung in China. 

China Shar Pei
TV Auftritt in China im Herbst 2019

Ich habe in den letzten Jahren nicht nur viel gelernt, sondern auch etwas Unbezahlbares gewonnen. Neue Freundschaften mit Menschen aus aller Welt, mit denen ich eine intensive Verbindung habe, aufgrund unserer gemeinsamen Leidenschaft für diese einzigartige Rasse. 

Schon bei meinem Chinabesuch 2019 wusste ich, dass ich nach einem Rüden Ausschau halten musste, habe viele Verpaarungen verfolgt und Stammbäume studiert. Das ich den Rüden, den ich dann gekauft habe, überhaupt bekommen habe, verdanke ich der Warmherzigkeit seines Züchters, der inzwischen nicht nur ein Freund, sondern auch ein wichtiger Mentor für mich geworden ist. 

Eine Geste, die ich so schnell nicht vergessen werde, die aber ein klares Zeichen für unsere zukünftige Kooperation ist. Und ich habe mir selbst versprochen, den Vertrauensvorschuss, der mir mit dieser Geste entgegengebracht wurde, nicht zu enttäuschen. 

Einsicht

Rückblickend auf die letzten Jahre, habe ich eine für mich wichtige Lektion gelernt: Nie im eigenen Denken festgefahren zu sein und alles neue Wissen einzubeziehen, um so seine eigenen Zucht-Visionen und Ziele zu reflektieren und anzupassen. 

Shar Pei China Panhu
PanHu

2020 war einschneidend. Die Pandemie hat unser aller Leben verändert, unser aller Pläne durcheinander geworfen und zu grossen persönlichen Verlusten weltweit geführt. Für mich hieß 2020, dass ich bisher meinen Rüden noch nicht abholen konnte. Anfangs stand ich still, schnell wurde aber klar, dass auch dies Zeit war, die ich positiv nutzen konnte. Ich lerne weiter, habe anregende Unterhaltungen mit befreundeten Züchtern in China und in Europa, denke flexibel, setze mir zum Ziel, niemals festgefahren zu sein und passe mich den aktuellen Bedingungen an.

Warum wird man aber nun Züchter? Warum werde ich Züchterin?

Jeder wird die Frage wohl unterschiedlich beantworten. 

Für mich, nach einem nun mehrjährigen Prozess des Lernens, weiß ich klar, warum ich nach wie vor züchten möchte. Ich möchte die Leidenschaft und die Verbundenheit zum SharPei, die ich durch meine chinesischen Freunde erleben durfte, weiterleben lassen. Ich möchte andere ebenso begeistern, wie ich begeistert wurde. 

Denn der Shar Pei ist mehr als nur ein Hund, er ist ein Stück Kultur!